Die Digitalisierung im Einzelhandel ist im vollen Gang. Das führt sowohl zu einem veränderten Einkaufserlebnis der Kunden von Nahversorgern und Discountern als auch zu vereinfachten Prozessen bei der Verwaltung und dem Kauf und Verkauf von Einzelhandelsimmobilien. Allerdings sollten die Einzelhändler auf die Interessen der Kunden achten, wenn sie Künstliche Intelligenz (KI) im Verkauf nutzen. Funktionierende digitale Systeme sind zwar wichtig, komplett digitale Smart Stores ohne persönliche Betreuung gehen aber an den Bedürfnissen der Konsumenten vorbei. Das zeigt der dritte GRR Basic Retail Report, den die GRR Group heute mit dem Kooperationspartner Savills in Nürnberg vorstellt.
Big Data kann den Absatz steigern
„Die Digitalisierung erleichtert im Einzelhandel schon lange das Einkaufserlebnis. Nahversorger setzen von Konsumenten erhobene Daten geschickt dazu ein, Kunden zu gewinnen oder an sich zu binden. Der komplett personalfreie Smart Store entspricht dagegen nicht den Vorstellungen der Verbraucher. Der Lebensmitteleinzelhandel sollte die Vorteile der Digitalisierung geschickt mit persönlichem, nicht-digitalem Service kombinieren. So kann KI dazu beitragen, den Absatz zu fördern und die Loyalität der Kunden zu steigern. Gelingt dies, steigt auch der Wert der Nahversorgungs-Immobilien. Denn die Bewertung der Objekte ist untrennbar mit der Attraktivität der Märkte für ihre Kunden verbunden“, erklärt Martin Führlein, Vorstand der GRR Group.
Der gläserne Konsument existiert – trotz Datenschutz
Von zentraler Bedeutung ist, dass sich die Nahversorger auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einstellen. Dabei sind die Daten der Kunden entscheidend – erfasst etwa über Bonuskarten, App-Tracking, Social-Media-Plattformen oder Online-Einkäufe. So lässt sich personalisierte Werbung schalten oder über Rabatt-Aktionen gezielt zum Besuch des Einzelhandelsmarktes anregen. Doch der gläserne Kunde findet in den datenschutzrechtlichen Regelungen, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), seine Grenzen. Respektiert der Lebensmitteleinzelhandel den Schutz der persönlichen Daten, kann er die Digitalisierung nutzen, um das Einkaufserlebnis gezielt zu verbessern.
Befragung: Konsumenten schätzen digitalen Komfort – aber keine Anonymität
Für den Report hat die GRR Group erstmals die Kunden von Einzelhändlern befragt, um ein differenziertes Stimmungsbild zur Nutzung neuer Technologien zu erhalten. Dabei wurden etwa Selbstscanner-Kassen von 65 und mobiles Bezahlen von 58 Prozent der Befragten als wichtig bewertet. Handyladestationen, digitale Kundenbetreuung oder kassenloser Einkauf wurden hingegen als überwiegend unwichtig eingestuft. Auch die Nutzung angebotener technischer Lösungen variiert stark. So verwenden knapp zwei Drittel der Befragten Kundenkarten oder Treueprogramme, Selbstscanner-Kassen nutzen 69 Prozent, Mobile Payment 41 Prozent. Andere Services wie Online-Lieferservice, Abholservice mit „Click and Collect“ oder mobiles Selbstscannen werden hingegen nur von rund 15 Prozent verwendet. Die Werte der Technik-Affinität sinken dabei mit wachsendem Alter der Kunden.
Rund um die Uhr geöffnete, vollautomatisierte Einkaufsmärkte ohne Personal stoßen dagegen bei den Konsumenten kaum auf Interesse. Insgesamt schätzen 56 Prozent der Befragten ein solches Angebot nicht. Für mehr als drei Viertel der Über-35-Jährigen ist es wichtig, beim Einkauf auch persönlich betreut zu werden. Allen Befragten ist gemeinsam, dass sie den Komfort neuer Technologien schätzen, dabei aber großen Wert auf einen sensiblen Umgang mit ihren Daten legen. Dabei scheinen sich die Konsumenten der Folgen der Nutzung von Kundenkarten oder Freigabe des App-Trackings im Smartphone kaum bewusst zu sein.
Digitalisierung wird zum Schlüsselfaktor für Einzelhandelsimmobilien
Nicht nur die Kunden des Einzelhandels werden mit fortschreitender Digitalisierung gläsern, auch die Einzelhandelsimmobilien profitieren von transparenter Datennutzung. Statt einer händischen Erfassung in Excel-Tabellen werden künftig alle Informationen zum Objekt in einem digitalen Immobilienpass festgehalten. Das wird auch den Kauf und Verkauf der Immobilien erheblich erleichtern. Zudem wird die Verwaltung der Objekte durch das sogenannte Building Information Model (BIM-Modell) wesentlich einfacher. Nach dieser auch als digitaler Zwilling bezeichneten Methode wird mithilfe einer Software ein Modell des Gebäudes erstellt. In diesem digitalen Markt werden dann alle Bauwerksdaten zu Planung, Bau und Bewirtschaftung erfasst. Die Daten lassen sich kombinieren und bauliche Maßnahmen simulieren. So können etwa die Modernisierung eines Einzelhandelsmarktes oder ESG-konforme Veränderungen virtuell durchgespielt werden – auch das wird Käufe und Verkäufe der Objekte beschleunigen.
„Sowohl im Geschäft der Einzelhändler mit den Kunden als auch für die Verwaltung und das Asset Management ist der Grad der Digitalisierung schon heute ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor. Dabei spielt auch die Nachhaltigkeit der Immobilien eine bedeutende Rolle, denn die Daten zur ESG-Konformität fließen direkt in den digitalen Immobilienpass oder die BIM-Modelle mit ein. So kann die Aufwertung der Objekte – etwa in Bezug auf den Energieverbrauch oder die Nutzung erneuerbarer Energien – virtuell geplant und umgesetzt werden“, erklärt Dr. Astrid Keller, ESG- und Research-Managerin der GRR Group.
Lebensmitteleinzelhandel bleibt Stabilitätsanker des Investmentmarktes
Unabhängig vom Prozess der Digitalisierung betrachtet der GRR Report auch die aktuelle Situation der Investitionen in Einzelhandelsimmobilien. Die Experten von Savills, dem Kooperationspartner des GRR Reports, gehen davon aus, dass das Transaktionsvolumen im Immobilieninvestmentmarkt 2023 insgesamt wohl so niedrig ausfallen wird wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Und ein Aufschwung ist derzeit noch nicht in Sicht. Dennoch sind die Experten für Nahversorgungsimmobilien verhalten optimistisch. Denn das Zwölf-Monats-Transaktionsvolumen bis einschließlich April 2023 lag bei knapp einer Milliarde Euro und damit kaum niedriger als während der Jahre vor dem Pandemieschub. Der Handel mit Nahversorgungsimmobilien – so die Experten – hat sich zu Beginn des Jahres 2023 stabilisiert und nahm im weiteren Jahresverlauf wieder zu.
„Der Rückgang der Preise am Immobilieninvestmentmarkt hat sich in den letzten Monaten zumindest verlangsamt. Bei Nahversorgungsimmobilien beobachten wir sogar schon wieder eine zunehmende Transaktionsaktivität – und damit früher als bei vielen anderen Nutzungen. Die spätestens mit der Pandemie nachgewiesene Krisenresistenz des Lebensmitteleinzelhandels dürfte hierbei ebenso eine stützende Rolle spielen wie das weiterhin zu beobachtende strukturelle Wachstum des Sektors. Dass die meisten Eigentümer trotz Preisrückgangs ihre Objekte immer noch mit Gewinn verkaufen können, hilft ebenfalls. Insgesamt können wir konstatieren, dass der Investmentmarkt für Nahversorgungsimmobilien vergleichsweise liquide geblieben ist, und das wohl auch bleibt“, betont Karsten Nemecek, Managing Director bei Savills.
GRR Basic Retail Report
Den vollständigen „GRR Basic Retail Report 2023“ stellen wir auf Anfrage gerne zur Verfügung. Rund 30 namhafte Experten beleuchten darin alle Aspekte rund um Retail-Mixed-Use-Immobilien.